Computerlogbuch Nummer Eins der Hampe-prise, Sternzeit 2014-03/04. (Stephan Hampe Gehirnforschung)

März und April

Die Zeit rennt dahin. Mittlerweile ist der außergewöhnlich milde Winter direkt in einen geradezu sommerlichen Frühling übergegangen, und der letzte Blogeintrag ist sechs Wochen her. Seither sind die sportlichen Aktivitäten auf das wöchentliche Rehatraining sowie gelegentliches Radfahren reduziert (mein einziges Verkehrsmittel außer der BVG und der Deutschen Bahn, an Autofahren ist nicht Ansatz zu denken, schon gar nicht nach dem neuerlichen Epilepsieanfall).

Der März startete mit einer „Kieler Woche“, Besuch bei meiner Schwester und einigen Freunden. Besonders auf den beiden Feiern (drei Geburtstage und eine Hauseinweihung ) gab es viele wunderschöne Wiedersehen, teils mit Freunden, die ich vor dem Attentat zuletzt gesehen hatte. Das durchweg schöne Feedback über meinen Rekonvaleszenz-Zustand hat mich aufgebaut und vor allem meinen Fokus wieder stärker auf die Fortschritte statt auf die Behinderungen gelenkt.

Selektive Wahrnehmung

Das zeigt auch noch mal sehr stark, wie selektiv die Wahrnehmung ist, besonders in meinem jetzigen Zustand. Im Alltag sind die faktisch weiterhin bestehenden Behinderungen besonders dominant: Das fehlende Riechen und Schmecken, die linksseitigen Lähmungen an Hand, Fuß und im Mundwinkel, die Seh-Beeinträchtigungen, vor allem auf dem operierten rechten Auge, die Konzentrationsprobleme.

Aber es gibt definitiv auch Verbesserungen, weshalb das Feedback von außen wie im März wichtig bleibt. Beispielsweise hat sich meine Kondition verbessert, auch bei Konzertbesuchen Ende März war ich teils mehrere Tage hintereinander bis Mitternacht oder länger unterwegs, was zuvor sehr selten möglich war. Treu geblieben sind mir allerdings die Schlafstörungen, denn egal ob ich nach der Tagesschau oder nach Mitternacht  schlafen gehe, fünf Stunden später bin ich erstmals wieder wach.

Neuerungen im April

Institut für Hirnforschung und Kommunikation

Anfang April war ich, wie im letzten Beitrag angekündigt, beim Institut für Gehirnforschung und Kommunikation in Stuttgart zur Messung meiner Hirnströme nach deren spezieller Methode. Das ist letztlich eine Art Spektral-EEG, wie es viele Neurologen auch anbieten, nur werden währenddessen bestimmte Impulse gegeben: beispielsweise kognitive Aufgaben wie einfache Rechnungen oder emotionale Fragen wie die nach dem schrecklichsten und dem schönsten Ereignis meines Lebens. Anhand der Timeline kann bei der Analyse genau festgestellt werden, welche Potenziale wieder zum Leben erweckt werden können und wo ggf. auch Probleme liegen.

Herr Hafffelder liest die seltsamen Wellenberge der Messgraphik wie ein Buch und konnte mich in meinen Hoffnungen bestärken: Die seit dem Trauma fehlende Musikalität ist lediglich verschüttet und dürfte zurückkommen. Gleiches gilt für jede Form der Sinnlichkeit. Außerdem wies er darauf hin, was mir auch schon einige frühere Klienten gesagt haben: Die Fähigkeit bzw. das Talent zum Zuhören und Beraten bis hin zu einer möglichen therapeutischen Tätigkeit ist sehr stark ausgeprägt in meinem angeschlagenen Hirn, möglicherweise stärker als zuvor.

Respekt hat mir ein anderer Teil der Diagnose eingeflößt: Bei der Frage nach dem schrecklichsten Erlebnis gab es natürlich einen besonderen Ausschlag: Den Überfall selbst hat meine Seele ja per Amnäsie zunächst verdrängt; aber das Trauma wirkt unterschwellig weiter, kann in einem Areal genau lokalisiert werden. Es kann sein, dass im Zuge der nun folgenden Therapie in Träumen Bilder des Attentats, das ich ja definitiv erlebt habe, hochkommen. Für den Fall habe ich aber auch etwas Konkretes an die Hand bekommen, wie damit umzugehen ist; außerdem bin ich bei einer Traumaexpertin in Therapie, die ihre Expertise bislang noch gar nicht richtig ausspielen konnte…

Die auf Basis der Analyse erstellte Trainings-CD benutze ich seit ihrer Ankunft in der vergangenen Woche täglich mehrmals und bin motiviert wie lange nicht mehr sowie fest davon überzeugt, dass sie wirken wird. Aber wie immer: Geduld gehört dazu…

Offizielle Anerkennung der Augenprobleme

Nach dreimonatigem Papierkrieg mit Krankenkasse, Versorgungsamt und sogar einem Gutachter sind nun seit Anfang April auch die Schwierigkeiten mit dem Auge offiziell als „Schädigungsfolge“ anerkannt (Der erste Gutachter war Neurologe und Psychologe und konnte offenbar mit den Augenarztbriefen nicht so viel anfangen). Nun habe ich neue Brillengläser, die möglicherweise sogar übernommen werden; Allerdings ist die fortschreitende Gliose des operierten Auges auch eventuell noch mal behandlungs-,  das hieße operationsbedürftig. Naja in einigen Wochen sehe ich klarer (sic!)

 

Ein Gedanke zu „Computerlogbuch Nummer Eins der Hampe-prise, Sternzeit 2014-03/04. (Stephan Hampe Gehirnforschung)“

  1. Lieber Stefan, es freut mich sehr, das alles von Dir zu lesen. Das mach mir Mut. Danke und dass Du weiterhin stark bleibst.
    Gruss sus der Schweiz
    Jörg

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