Wer ich war

Herzlich willkommen auf dieser Webseite, meinem Blog

Was soll das denn?

Ende 2011 bin ich dem Tod gerade mal noch von der Schippe gesprungen, wie es redensartlich heißt. Wie das ablief, wie und wo ich gelandet bin, und was das mit Mut und Willen zu tun hat, davon erzähle ich hier und lade herzlich zum Dialog über derlei Erfahrungen ein.

Herkunft und Laufbahn

Zur Welt kam ich 1963 in Flensburg. An meinem dritten Geburtstag zog meine Familie um, und ich wurde ich ein Kieler Jung‘.  Schmächtig, rothaarig, sommersprossig und „der ist so sensibel“, wie meine Mutter oft bemerkte. Das war in den frühen 60ern kein Kompliment, sondern eher ein Synonym für „zu empfindlich“. Somit war ich nicht gerade prädestiniert, ein Klippenspringer zu werden. Beim Schwimmunterricht reichte der Mut gerade mal bis zum Fünfmeterturm. Füße zuerst, und wagemutig hinunter ins kühle Nass. Vom Dreier traute ich mich immerhin einen Köpper.

Nah am Wasser gebaut

Das Sensible begleitet mich bis heute. Lange empfand ich es als Schwäche, bei rührseligen Ereignissen zu weinen, zumeist Tränen des Glücks und der Freude, seltener Tränen der Trauer.  So verhält sich doch kein Mann der Baby-Boomer Generation! Mein Schnack dazu: „In Flensburg gezeugt und geboren, in Kiel aufgewachsen, da bin ich nun mal nah am Wasser gebaut.“

Die vermeintlichen Schwächen kompensierte ich mit meinem wachen Geist. Nachdem ich meinem älteren Freund Burkhard als Fünfjähriger oft bei den Hausaufgaben über die Schulter geschaut hatte, konnte ich zur Einschulung 1969 bereits lesen und schreiben. Vati brachte mir Schach und Skat bei, um einen Partner zum spielen zu bekommen. „Der Jung‘ ist plietsch“, heet dat op plattdütsch.

1974 Wechsel zum Gymnasium, dort gab es schon bessere Noten im Sport, der schmächtige Rothaarige spielte mit Begeisterung Basketball, Volleyball und war gut im Dauerlauf, heute heißt das Jogging. Ich begann Gitarre zu spielen und gründete mit meinem damaligen besten Freund zusammen meine erste Band. Wir coverten Rock’n’Roll-Songs der Beatles und Stones, schrieben aber auch schon bald unsere ersten eigenen Lieder. Auf der Schule und später sogar stadtweit waren wir „Local Heroes“ – die Grundlage für meine weitere Laufbahn war gelegt.

Berufliche Laufbahn:

Nach dem Abi 1982 folgten zunächst 16 Monate Zivildienst in einem Kinderheim. Danach Praktika bei einigen Zeitungen, denn  Berufswunsch war es schon früh, Journalist zu werden.  Dem Rat des bekannten TV-Journalisten Hanns-Joachim Friederichs folgend („Studieren Sie nicht Kommunikationswissenschaften oder Journalismus, sondern die Regeln unserer Gesellschaft, also Jura oder Wirtschaft“ (Zitat)) entschied ich mich für Kapitalismus, also Wirtschaftswissenschaften mit Schwerpunkt Marketing. Daneben war ich als semiprofessioneller Musiker unterwegs und finanzierte mir so meine akademische Ausbildung eigenständig.

Im Juli 1986 ging Radio-Schleswig-Holstein   als erster landesweiter Privatsender der Republik on air, und ich war sofort begeistert. Noch am Nachmittag des ersten Sendetages schrieb ich eine Bewerbung und bekam meinen ersten Aushilfsjob im Musikarchiv und der Verkehrsredaktion, später wurde ich Nachrichtenredakteur und Reporter. So begann meine Karriere in der Radiowelt.

Nach dem  Examen 1992 wurde ich direkt als leitender Redakteur bei RSH übernommen. Fünf erfüllende und erfolgreiche Jahre als Musikchef folgten.

1998 bekam ich meinen ersten Job als Geschäftsführer und Programmdirektor beim RSH-Tochterunternehmen Radio NoRa (NordOstseeRadio). Das von mir kreierte Format „Oldies und Evergreens“ schlug ein wie eine Bombe, innerhalb von zwei Jahren verdoppelte sich die Reichweite des Senders. Daraufhin folgte ein Ruf aus Berlin. Programmdirektor und Geschäftsführer des Traditionssenders 94,3 r.s.2 (das legendäre, nun privatisierte RIAS2!) sollte ich werden! Die Herausforderung nahm ich an und zog mit meiner gerade gegründeten Familie in die Hauptstadt. Auch dort war ich zunächst für sechs Jahre sehr erfolgreich, mein Team und ich segelten als Marktführer durch einen der härtesten Radiomärkte Europas. Als die Quoten schließlich doch zurückgingen, trennten sich die Gesellschafter und ich einvernehmlich voneinander.

Wie im Sport: Steigt der Verein ab, muss der Trainer gehen.

Ab 2008 arbeitete ich dann selbstständig als Coach (Coachamp®) und spezialisierter Unternehmensberater in der Medienbranche (radico®) mit Kunden in ganz Deutschland und Europa.

Ein Businessman, wie er im Buche steht, der gleichzeitig eine glückliche Familie mit zwei großartigen, fast erwachsenen Kindern hat.

Daneben war ich wie schon seit meiner Jugend musikalisch aktiv, in verschiedenen Bands und Chören.

Auch meine spirituelle Neigung fand noch ihren Platz: Mit Unterstützung und unter Anleitung eines engen Freundes, der von einem Mitglied des Stammes der Nakoda im US-Bundesstaat  Montana adoptiert worden ist, beschäftigte ich mich mit der Spiritualität der indigenen Völker Nordamerikas und übte mich in indianischen Schwitzhütten- und Fastenritualen selbst darin.

Dann kam das schlimme Ereignis und beendete dieses Leben von einem Tag auf den anderen.

Der Überfall und seine Folgen

Es war Oktober 2011, als in dieses traumhafte Leben ein Mann platzte, der versuchte, mich umzubringen. Bei einer abendlichen Gassi-Runde mit den beiden Hunden unserer Familie überfiel er mich und schlug mir mit einem stumpfen Gegenstand den Schädel ein. Es ist die Tat eines Psychopathen, der in seinem Wahn mich dafür verantwortlich machte, dass ihn seine Lebensgefährtin verlassen hatte.

 Überleben

Zum Glück überlebte ich. Die beiden Hütehunde (Collies) alarmierten meine Frau, sie fand mich in einer riesigen Blutlache und rief sofort die 112 an. Der Rettungsdienst brachte mich schwer verletzt in die Notaufnahme der Charité. Diagnose: Schädelhirntrauma dritten Grades mit intrakraniellen Blutungen. Die nächsten beiden Wochen verbrachte ich im künstlichen Koma auf der Intensivstation der Neurochirurgie.

 Auferstehung

Währenddessen bekam ich in einem phantasievollen Traum einen Hinweis, den ich als spirituelles Zeichen deute: Einige Männer bauten sich um mein Bett auf und stellten fest, dass an mir eine „Ressurektion“ durchzuführen sei. Zurück aus dem Koma erkannte ich in jenen Gestalten die Ärzte und Pfleger, die um mein Leben gekämpft hatten. Ich gab ihnen also Rollen in meiner Traumgeschichte, und mein verwirrter Geist signalisierte mir damit, dass es um Leben oder Tod ging, dass ich „wiederauferstehen“ sollte.

Die Polizei ermittelte den Täter, und er begang vier Wochen später Suizid, was von Polizei und Staatsanwaltschaft als Schuldeingeständnis gewertet wurde.  Es nimmt nicht wunder, dass ich das nicht bedaure.

Die „Auferstehung“ nimmt ihren Lauf

2012 war eine Tour de Force mit mehreren Rehas und etlichen weiteren Operationen. Schließlich bekam ich eine künstliche Schädeldecke implantiert.

Als das gröbste der körperlichen Verletzungen überstanden war, begann das Psychotrauma: Ich war arbeitsunfähig geworden und konnte meine Familie nicht mehr versorgen.

Das Ganze wurde begleitet von der Berliner Presse, die mich zum Promi hochschrieb, um so unter Umgehung meiner Persönlichkeitsrechte jedes Detail dieser „geilen Story“ ausschlachten zu können. Der Gipfel war eine Headline der B.Z., in der ich zum „Radiokönig Berlins“ gekrönt wurde.

Mein bisheriges Leben war nun Geschichte. – In der Psychotherapie lernte ich aber auch, dass mich dieses Leben kurz vor einen Burnout geführt hatte:

Zu viel auf einmal, zu groß meine Ambitionen, es allen und allem recht zu machen. Eine Veränderung war also so oder so dran.

Hätte ich es mir aussuchen können, wäre sie allerdings nicht so dramatisch ausgefallen.

Nachdem zunächst Freunde aus der Studienzeit und einer meiner Stammkunden finanzielle Unterstützung leisteten, kam der „Weiße Ring“ ins Spiel  und vermittelte den Kontakt zum Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo). Durch einige medizinischen Gutachten wurde der Behinderungsgrad von 80 % festgestellt, und so erhalte ich seit 2013 eine Versorgungsrente auf Grundlage des so genannten Opferentschädigungsgesetzes (OEG).

 Aufstehen und Krone richten

Nun war ich zwar einigermaßen rehabilitiert, benötigte aber weiterhin psychotherapeutische Unterstützung, bis ich schließlich die neue Situation mit den schweren Beeinträchtigungen annehmen konnte und mich 2015 an den Start in ein neues, vollkommen verändertes Leben machte.

Das braucht viel Mut und Energie, den ich aufgrund meiner immer schon optimistischen und positiven Grundhaltung aufbringe. Zudem lerne ich, auch kleine Schritte und Errungenschaften zu wertschätzen, die zuvor Selbstverständlichkeiten gewesen sind. Zum Beispiel, dass ich trotz aller neurologischer Beeinträchtigungen problemlos radfahren kann und damit selbstständig mobil bin. Gleichzeitig bleibt es enorm schmerzhaft und frustrierend, Fähigkeiten verloren zu haben,die mich so mit Lebensfreude erfüllt hatten wie etwa meine Musik. Seit einem  Jahr singe mit im inklusiven Chor der Rockschule Russee  Zudem beginne ich mühsam und zaghaft, mich dem Gitarrespielen wieder anzunähern.  Ich fange von vorne an und weiß gleichzeitig genau noch genau, wie es sich anfühlt, so weit zu sein, wie ich es einmal erreicht hatte.

Zudem schaffe ich es inzwischen, mich zumindest halbe Tage lang wieder einigermaßen zu konzentrieren und versuche, mit ehrenamtlichem Engagement der Gesellschaft, die mir und meiner Familie mit der Sozialgesetzgebung unseres Landes so großartig geholfen hat, etwas zurückzugeben.

Dazu soll auch dieses Blog dienen, mit dem ich andere Betroffene solcher krassen Einschnitte dabei unterstützen möchte, ihr verändertes Leben mutig neu anzugehen. Auch werden weitere Menschen hier zu Wort kommen, die Mut machen und sich für positive Veränderungen engagieren.

5 Gedanken zu „Wer ich war“

  1. Ich will Dir nur kurz ganz doll „danke“ sagen, daß Du Dich gemeldet hast. War mit Kirsten 3 Tage auf Sylt und haben in der Zeit getratscht und gelacht bis zum Umfallen.
    Bitte melde Dich doch mal bei mir.
    Ich bin zwar inzwischen (und jetzt gut festhalten) 70 Jahre alt,
    aber keiner glaubt mir das.
    Habe – im 2. Anlauf – den besten Mann der Welt erwischt.
    Sind seit 32 Jahren zusammen, seit 26 Jahren verheiratet. Er hat meinen Sohn adoptiert und ich bin Oma von 3 Enkelkindern. Auf der Bühne steh ich auch immer noch.
    Moderiere und bin auch wieder mal ab und zu bei entsprechenden Veranstaltungen als Sängerin dabei. Bitte geh auf meine Seite und da wirst Du auch über mein 2. Buch was erfahren.
    Ich könnte Dir noch tagelang weiter erzählen, aber 3-fach-Omis brauchen ab und zu mal ein bisschen Ruhe.!!!!
    Nochmals danke, und liebe Grüße
    Uschi

  2. Lieber Stephan,
    ich kenne dich aus vielen Stunden digitalisierter Hörfunkmitschnitte. Sprachst du nicht selbst, war trotzdem etwas von dir dabei; und sei es nur die Musik in deiner Zeit als Musikchef. Aber die Musik ist das Herz eines Radiosenders – ohne dass das Radio nicht leben würde

    Und genauso gibt mir nicht nur deine Stimme etwas zum Radio (er-)leben, sondern deine Geschichte mir Mut und Kraft etwas anzupacken statt loszulassen, um etwas zu kämpfen wenn es aussichtslos erscheint, oder zu jemandem aufzusehen vor dem man Hochachtung hat…zu dir!

    Gehe weiter deinen Weg, glaube an dich und lass weiter das Herz des Guten in dir schlagen.
    Durch deine Ehrenämter gibst du viel zurück und wirst sicher im Ansehen vieler das haben, was ich habe wenn ich über dich nachdenke. Bleibe so wie du bist

    Ich wünsche dir Gesundheit in einem Status Quo mit dem du glücklich sein kannst und alles alles Gute für die Zukunft

    1. Lieber Martin, herzlichen Dank für Deine lieben, aufmunternden Worte! Das mit der Gesundheit bleibt ein fortwährendes Projekt, aber ich komme immer besser damit zurecht, meine Situation anzunehmen und manchmal auch auszuhalten. Aufstehen, Krone richten (immerhin hat mich die B.Z. ja zum Radiokönig gemacht!) und weitermachen.Das ist und bleibt mein Motto!

  3. Ich habe Stepan beim Nachtcafé gesehen und bin schwer beeindruckt aber auch bestürzt was da passiert ist Wahnsinn wie der Stephan sich wieder ins Leben gerappelt hat,Hochachtung!Es hat mich zu Tränen gerührt!Ich habe mit dir geweint,bin auch nah am Wasser gebaut( ich liebe das Meer Dich würde ich gerne kennen lernen ,ich bin auch Kielerin. Ich wünsche dir trotz allem noch ein wunderbares Leben du starker Mensch!
    Ganz liebe Grüße von Kathrin

  4. Lieber Stephan,
    deine Geschichte bewegt mich sehr. Kann gut verstehen, dass du 2 Geburtstage hast.
    Vor einigen Jahren habe ich einen Freund, der im Koma lag, regelmäßig besucht. Das Heilpersonal behauptete, meine Besuche bewirkten bei ihm, den Wunsch zu leben. Thomas ist nach 8 Monate aus dem Komma erwacht. Am Anfang war er des Lebens dankbar. Aber nach kurzer Zeit war er der alte, negativ, sarkastisch, lebensverachtend.
    Um so mehr freut es mich, dich zu erleben, deine Dankbarkeit fürs Leben ist heilig, heilend. Denn das Leben ist das größte Wunder Des Lebens.
    In unserer Meditationskreis bist du für mich der Meister.

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