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BLOG Oktober 2015/ Zwischenbilanz zum 4. Geburtstag

Vierter (Wieder-) Geburtstag

Heute vor vier Jahren und 14 Tagen geschah das Attentat, das mein Leben so radikal veränderte. Zwei Wochen später holten mich die Ärzte der Charité aus dem künstlichen Koma zurück, deshalb feiere ich heute meinen vierten Geburtstag.

Seit dem Letzten Eintrag ist ein halbes Jahr vergangen, einiges ist passiert, aber ich habe abgewartet, bis eine verbindliche Entscheidung über mein weiteres Leben gefallen ist (mehr dazu weiter unten)

Frühjahr: Einige schöne Wiedersehen

Wiedersehen #1: Tiffany (meine 80er und 90er Jahre)

Es ging los im April mit einer späten Geburtstagüberraschung, die meine Schwester und meine frühere Kieler Band Tiffany arrangiert hatten: Eine Party mit allen aktuellen und vielen ehemaligen Bandmitgliedern in Kiel. Es liefen alte Live-Mitschnitte aus den 80ern von Cassette zum Essen und Trinken vom „Santa Fé“ (Eingeweihte wissen, das ist unser Stamm-Mexikaner, bei dem wir uns immer nach den Proben getroffen hatten, und wo wir mehrere Unplugged-Konzerte gegeben hatten in den 90er Jahren). Danach eine Video-Orgie, denn Hanne hat als Chef-Archivarin nahezu alles aufbewahrt und digitalisiert, was es von uns jemals zu hören und sehen gab. Schließlich noch ein Fotobuch mit Fotos, Manuskripten, Setlists etc. Wertvolle Erinnerungen an eine der besten Zeiten meines Lebens!

Wiedersehen #2: Uwe Trautsch (meine 70er Jahre)

Kurze Zeit später traf ich meinen früheren Lieblingslehrer (LK Gemeinschaftskunde/Geschichte an der Hebbelschule) und langjährigen guten Freund Uwe wieder. Zunächst Kontakt per E-Mail und Telefon (wobei ich ihn zunächst vom Schock über mein Schicksal beruhigen musste), dann persönliche Treffen in Berlin-Mitte und Kiel.

Wiedersehen #3: Simon Mumford (meine 2000er Jahre)

Der besuch aus Australien von Simon, der meine „hometown“ kennenlernen wollte, ließ sich wunderbar kombinieren mit Uwe, der im Ruhestand als Fremdenführer für Kiel-Marketing arbeitet, sein dickes Schlüsselbund auspackte, und uns mit einer wundervollen, zweisprachigen Führung durch das Kieler Rathaus beglückte.

Wiedersehen #4: Nick Maloney

Simon ist mein Partner in unserer Radioberatungssozietät „radico“, eine Tätigkeit, die ich leider nicht mehr durchführen kann, weil s.u. („Dauerzustand“). Unsere Vereinbarung sieht vor, dass, wenn eine Seite mehr als zwei Jahre ihren Part nicht durchführen kann, die Markenrechte an „radico“ an die jeweils andere fällt. das war nun der Fall. Simon hat nun einen neuen Partner gefunden, den ich verrückterweise aus alten Hamburger und Berliner Radio-Zeiten kenne: Nick Maloney. Gemeinsam sind sie jetzt radicointl. Für mich bedeutet das nun Abschiednehmen von der Radiowelt, in der ich beruflich groß geworden bin, und die lange Zeit mein Lebensinhalt war und mein Leben finanziert hat. Auch wenn ich nicht mehr mitmischen kann, bleibe ich in gutem Kontakt zu den beiden.

Gesundheitliche Entwicklung

Leichte Verbesserung der Anosmie

Der Sommer war zunächst geprägt von einer erneuten Operation: Ich hatte einen guten Hals-Nasen-Ohren-Arzt gefunden, der mir Anfang Juli mit einer minimal-invasiven Methode die ausgeprägten Nasenpolypen entfernt hat.

Anosmie, also der Verlust des Geruchs- und Geschmackssinnes, ist eine häufige Begleiterscheinung von Schädel-Hirn-Traumata, aber ich habe immer daran geglaubt, dass ich diese Sinne wieder zurück erlangen könnte. Und siehe da: Nach der Entfernung der Polypen ist zumindest etwas mehr als eine Ahnung des Riechens zurückgekehrt. Noch nicht so differenziert, wie zuvor. Ich habe das Bild gefunden, dass ich nunmehr zumindest wieder in „schwarz-weiss“ riechen kann.

Epilepsie

Leider ist es wieder zu zwei Anfällen gekommen. Der erste war im Februar, als ich vergessen hatte, mein Medikament einzunehmen. Unmittelbar davor hatte ich eine Fahrstunde genommen und mir einen DriveNow-Account besorgt, in der Hoffnung, wieder Auto fahren zu können. Das Fahren ging sehr gut, aber nach einem epileptischen Anfall ist aus versicherungstechnischen Gründen ein Jahr autofrei angesagt…. Also erstmal weiter Bahn, Fernbus, BVG und Fahrrad..

Der zweite Anfall kam letztes Wochenende ohne vordergründig erkennbaren Anlass wie das Versäumen der Medikamenteinnahme. Da ich auch ausreichend gegessen und geschlafen hatte, kommt nur (emotionaler) Stress als Auslöser infrage. Zwei Tage Charité und ein weiteres autofreies Jahr sind die Folgen.

Dauerzustand

Nach der Anhörung meiner Ärzte und Therapeuten haben der Amtsarzt und damit das Landesversorgungsamt in der vergangenen Woche den so genannten „Dauerzustand“ festgestellt, was bedeutet, dass ich bis auf weiteres nicht wieder arbeiten können werde. Das hat mich natürlich zunächst frustriert. Andererseits bedeutet es wirtschaftliche Absicherung für mich und meine Familie (Ich kann an dieser Stelle nur mein Loblied auf unser Sozialgesetzbuch und insbesondere das Opfer-Entschädigungsgesetz wiederholen!)

Musiktherapie

Seit einigen Wochen versuche ich, mithilfe von Musiktherapie beim gleichnamigen Institut in der Nachbarschaft, meine ebenfalls durch die Hirnverletzungen verloren gegangene Musikalität wieder zu erlangen. Wie viele wissen, habe ich seit meinem 14. Lebensjahr Gitarre gespielt und gesungen, es darin zu einigem Können gebracht; Aber jetzt fange ich bei Null wieder an.

 

 

 

Mai 2014: Durchhalten, Dranbleiben, Dankbarsein

Durchhalten

Auch wenn es vordergründig Stillstand gibt, ändert sich meine Sichtweise auf meinen Zustand etwas. Das begann schon im März mit dem positiven Feedback von außen(vgl. letzten Blogeintrag). Dass ich jetzt bereits im dritten Jahr nach dem Mordversuch ohne wirkliche Beschäftigung mental durchhalte (immer noch arbeitunfähig krank geschrieben), jeden Tag aufs Neue wieder angehe und so am „Leben eben“ dranbleibe, kann ich mittlerweile vor mir selbst als „Leistung“ anerkennen.

Dranbleiben

Aber auch wenn Kraft und Konzentration eingeschränkt sind, habe ich begonnen, im entsprechend reduzierten Rahmen für Freunde und treue Klienten wieder etwas Beratung und Coaching durchzuführen,  selbstverständlich honorarfrei, da – s.o. (noch) nicht wieder so wie vor der Krankheit. Wer noch daran Interesse hat, wendet sich einfach über die im Impressum angegebenen Kontaktmöglichkeiten an mich. Für mich ist es neuropsychologisches Training und eine gute Möglichkeit, erlernte Fähigkeiten nicht zu vergessen oder verkümmern zu lassen, für denjenigen, der es in Anspruch nimmt, vielleicht eine kleine Unterstützung. Also noch ein Gebiet mit Fortschritten.

Wie sich ebenfalls im letzten Eintrag schon ankündigte, muss   nun mein verletztes rechtes Auge nochmals operiert werden, Termin Anfang Juli. Aber auch wenn das nochmals wieder Einschecken in der Charité bedeutet, sehe ich der OP zuversichtlich entgegen, ist die Prognose doch recht gut. Die Kosten dafür sowie auch alle Brillenkosten werden nach einem entsprechenden Bescheid des Versorgungsamtes künftig durch die Krankenkasse übernommen. Noch ein Fortschritt, für den ich die ersten drei Monate des Jahres gekämpft hatte.

Dankbarsein.

An dieser Stelle denn auch ein dickes DANKE für die Sozialgesetzgebung unseres großartigen Landes, insbesondere das so genannte Opfer-Entschädigungs-Gesetz (OEG), sowie an das es umsetzende Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) und seine freundlichen Mitarbeiterinnen, die mich bzw. „meinen Fall“ betreuen.

Ein weiteres DICKES DANKESCHÖN geht an meine Familie und die vielen Freunde, die tatkräftig unterstützt haben in den letzten drei Jahren, die zu den höchstwahrscheinlich schwersten meines Lebens werden sollten.

Einige der WohltäterInnen sind stellvertretend in der neuen Link-Empfehlungsseite dieser Website aufgeführt:

Beispielsweise Markus Dreesen, der mich in die Geheimnisse von WordPress eingeweiht und so dieses Blog mit ermöglicht hat.

Oder Kristin Große, die mich mit ihren wundervollen energetischen Massagen und tiefgründigen wie anregenden Gesprächen unterstützt.

Und natürlich meinen Freund und Bruder Klaus Koeppe, der immer mit gutem Lebens-Rat an meiner Seite ist.

Schließlich Martina Vollbrecht, die mir die heilsame und sanfte Yogavariante Dru-Yoga nahebrachte.